Windschatten – das Magazin der Tour of Austria, hatte gestern Abend in der Medienhalle Hall im Zuge der Bikedays hochkarätige Gäste im Studio: Tour-Direktor Thomas Pupp begrüßte Tour de Suisse-Chef Olivier Senn – der auch die Rad-WM in Zürich organisierte – und Ex-Radprofi Fabian Wegmann, Sportlicher Leiter der Deutschland Tour und zahlreicher Eintagesrennen in Deutschland. Gemeinsam diskutierten sie über die Herausforderungen der drei großen Landesrundfahrten im DACH-Raum und brachten innovative Ideen ein. Das Zusammenkommen war eine Premiere dieser Art und die Zusammenarbeit soll intensiviert werden.
Die drei größten Landesrundfahrten der Schweiz, Deutschland und Österreich haben die Sprache gemeinsam. Sonst gibt es enorme Unterschiede, vor allem was die Finanzierung betrifft. „Einnahmen aus dem Tourismus – für den der Radsport eine unglaubliche Bühne bietet – samt öffentlicher Gelder belaufen sich bei uns auf 15 Prozent. Der Rest wird über Sponsoren abgedeckt. Und zwei Drittel der Etappenorte bewerben sich aktiv bei uns“, eröffnete Olivier Senn. „Das sind Werte, wohin wir auch gerne möchten“, ergänzt Pupp. Die Deutschland Tour „neu“, auch unter der Leitung von Wegmann, gibt es erst seit 2018. „In Deutschland ist der Fußball die absolute Nummer 1. Nach dem Hype um Jan Ullrich mussten wir in den Städten und Tourismusregionen viel Aufbauarbeit leisten – auch bei Eintagesrennen, wie in Köln, bei den Cyclassics oder beim Münsterland Giro. Wir mussten den Entscheidungsträgern klarmachen, dass der Radsport eine große Chance für sie ist“, eröffnete Wegmann, ehemaliger Bergtrikotträger bei der Tour de France.
Sicherheit beschäftigt alle
Drei Todesfälle in den vergangenen zwei Jahren in Österreich und der Schweiz. Der Schock sitzt nach wie vor tief, auch bei den Familienvätern Pupp und Senn. Dem Thema Sicherheit wurde ein großes Spektrum gewidmet. Ob die Profirennen gefährlicher wurden? Das sieht Wegmann differenziert: „2011 habe ich meinen Zimmerkollegen Wouter Weylandt nach einem tödlichen Sturz verloren. Das sitzt nach wie vor sehr tief bei mir, auch wenn er leider einen Fahrfehler beging. Grundsätzlich sind Radrennen sicherer geworden durch viele Maßnahmen. Früher gab es zB noch Absperrgitter mit Füßen und die Sicherheitsauflagen wurden auch immer strikter. Aber Fakt ist: Durch das Material und die Aerodynamik werden Rennen immer schneller. Dann sind Konsequenzen bei Stürzen leider dramatischer. Bei uns in Deutschland kommen noch viele Verkehrsmaßnahmen hinzu, die auf Kosten der Sicherheit gehen: Ständig werden neue Verkehrsinseln gebaut. Solche verkehrsberuhigenden Maßnahmen der öffentlichen Hand sind für den Radsport nicht förderlich.“
TDS plant neues Sicherheitssystem
Olivier Senn sieht ein großes Sicherheitsproblem während Profirennen darin, dass es mitunter zu viele Informationen gibt: „Jedes Team hat Roadbooks, digitale Karten, VeloViewer. Die Realität zeigt aber: Wenn man eine Gefahrenstelle erreicht, kann sie sich alleine durch Regen ganz anders darstellen. Über Funk prasseln dann diese Informationen ein, die bei den Sportlichen Leitern und schließlich bei den Radprofis aufgrund von sprachlichen Barrieren oft auch nicht verstanden werden. Deshalb sind wir an einem System in Echtzeit dran, Gefährdungsstellen visuell darzustellen. Das klappt auch mit Bildern, die zehn Minuten vor der Durchfahrt reingespielt werden.“
„Wir sind vor gut 55 Jahren zum Mond geflogen. Dann kann es doch nicht sein, dass wir das Verschwinden eines Fahrers oder einer Fahrerin nicht sofort bemerken können. Deshalb sehen wir das GPS-Tracking als Gebot der Stunde, um künftig die Kontrolle über alle Profis bei Rennen erhalten zu können“, sagt Senn. Senn würde ein GPS-Tracking auch ohne den Weltradsportverband UCI umsetzen, wo auch Pupp mit der Tour of Austria mitziehen würde. Fabian Wegmann ist auch für so ein System, brachte aber einen Einwand bei der Umsetzung: „Was ist, wenn ein Rad wegen technischem Gebrechen getauscht wird? GPS-Tracker müssten am Körper montiert werden und ich sehe hier die UCI in der Pflicht, verbindliche Regeln zu erstellen.“
Kooperationen der großen Landesrundfahrten?
Im U23-Bereich wurde bereits vorgezeigt, wie im DACH-Raum Radsportkooperationen zB im Zuge der Ausrichtung von gemeinsamen U23-Staatsmeisterschaften der Schweiz, Luxemburgs, Deutschlands und Österreichs funktionieren können. Einen Schulterschluss wünscht sich hier auch Thomas Pupp von der Tour of Austria; Stichwort größer denken und maximaler handeln: „Warum gastiert die Tour of Austria nicht – es wäre das erste Mal – in der Schweiz oder in Deutschland? Und vici versa? Das Gespräch war sehr informativ und ich hoffe, dass wir einen engeren Austausch bi allen möglichen Themen pflegen. Um gemeinsam unseren Radsport noch weiter voran bringen.“