1955 fand die erste Rundfahrt durch ein freies Österreich ohne Zonengrenzen statt.
Und erstmals führte die erste Etappe nicht nach Graz, sondern auf der B1 nach Linz. Die noch sehr defektanfälligen Rennmaschinen führen sehr oft zu skurrilen Situationen. So verliert Nationalfahrer Wukisevits nach einem Raddefekt auf der Gerlos die Nerven und schleudert zuerst sein Rad und dann ein unbrauchbares Ersatzrad in die Tiefe. Mit einem Stock bewaffnet maschierte er sodann bergauf, bis er schließlich ein taugliches Ersatzrad bekam. Aber mit diesem Wutausbruch war er in allen Medien.
1955, 1956 und 1957: Die Schweden erobern die Rundfahrt und stellen mit Nordvall, Ströhm, Göransson drei Gesamtsieger in Folge. Die Elite der Österreicher verzettelte sich im Kampf Junior gegen Puch, sodass eine gedeihliche Zusammenarbeit nicht zustande kam.
1957 nimmt erstmals eine Nationalmannschaft aus der DDR an der Rundfahrt teil. Etappen über 200 Kilometer waren in diesen Jahren keine Seltenheit. So standen 1957 die Etappe Wels-Wattens mit 245 Kilometer, und Graz- Wien mit 261 Kilometer, Halbetappenziel in Eisenstadt, auf dem Programm. Im Lauf dieser Etappe zählte man auf Grund unzähliger Baustellen über 70 Defekte und oft stand alle 200 Meter ein Fahrer seinen Reifen wechselnd am Straßenrand. Die Hohe Warte, das Fußballstadion der Vienna, des ältesten Wiener Fußballklubs, war ein einmaliges Endziel.
1958. Die Österreichrundfahrt feiert ihren 10. Geburtstag. Einige Neuerungen prägten das Jubiläum: Der Ruhetag nach dem Glockner wurde auf Wunsch der Fahrer gestrichen und zum ersten Mal fand ein Einzelzeitfahren statt: Strecke um Ried im Innkreis, Länge 33 Kilometer. Franz Deutsch fährt seine zehnte Rundfahrt. Nach einer, nach heutiger Diktion, #metoo Affäre im Quartier, wird ihm ein diskreter Abgang nahe gelegt. Er sollte auf der nächsten Etappe mit „Magenkrämpfen“ aufgeben. Der Steirer gewann aber die Etappe, trotz mehrmaliger Aufforderung der Rennleitung aus dem Begleitauto heraus, endlich mit „Magenkrämpfen“ aufzugeben, und musste schließlich disqualifiziert werden. Damit war seine Verfehlung öffentlich geworden. Kein ehrenvoller Abgang nach zehn Tourstarts. Nach den „Jahren der Schweden“ siegte mit dem Steirer Richard Durlacher, der im Vorfeld schon die Englandrundfahrt gewonnen hatte, wieder ein Österreicher. Mit Kurt Schweiger und Stefan Mascha landen zwei weitere Österreicher auf dem Podest.
Die Berichterstattung dieser Jahre: Edi Finger, Max Pfliger und Karl Pointner. Pointner, der Schriftsetzerlehrling aus Döbling, beobachtete 1958 aus dem Begleitauto die Tour. Ab 1960 schreibt er in der „Krone“ und wird die Rundfahrt über Jahrzehnte begleiten. Er ist wohl einer der exzellentesten Kenner der ältesten österreichischen Radsportveranstaltung.